Artikel im Kurier vom 17.06.2011: „Profitiert Pforzheim bald vom Wertstoff?“

Es geht um die Neuausrichtung des Abfallwirtschaftssystems der Stadt Pforzheim zum 01.01.2013.

Darauf mein Leserbrief:

 

Denkt die Verwaltung in Pforzheim noch logisch – wird Pforzheim zur Müllstadt?


Es geht um die Neuausrichtung des Abfallwirtschaftssystems der Stadt Pforzheim zum 01.01.2013. Für Stadträte und auch für uns Ortschaftsräte ist die Vorlage schon als Diskussionsvorlage eine Zumutung. Das Geld für den Berater
hätte sich die Stadt auch sparen können. Die Stadt Ulm ist beispielhaft, die zum Vergleich herangezogen wird. Ulm führt die Müllentsorgung noch unter städtischer Regie durch und ist bei mehr Abholungen außerdem wesentlich günstiger als Pforzheim.
Auch hier gilt: Jede schwäbische Hausfrau hätte die Neuausrichtung des Abfallwirtschaftssystems besser gemacht, denn sie kann noch logisch denken.

Die Vorlage und Vorschläge sind unausgegoren und unsozial. Wo bleibt die Gebührengerechtigkeit?

Aber vielleicht kommt die Idee der Landesregierung auch bald in Pforzheim an: „Rücknahmen der Privatisierungen, zurück zu städtischen Unternehmen.“ Es ist bekannt, Pforzheim braucht immer etwas länger.
Die Stadt will Gebührengerechtigkeit! Genau das Gegenteil ist der Fall.

 

Bisher gab es als kleinste Gefäßgröße den 35 l Behälter, der nach Aussage der Stadt bei 14-tägiger Leerung nicht voll gefüllt wurde. Jetzt soll auf einen 60 l Behälter als kleinste Gefäßgröße umgestellt werden. 12 Leerungen im Jahr sind im Preis enthalten. Das ist der erste Pferdefuß. Das Jahr hat 52 Wochen. Geht man von einer 4-wöchigen Leerung aus, braucht man für eine kontinuierliche Leerung 13 Leerungen im Jahr (52:4=13). Sonst wird 1 Leerung separat am Jahresende in Rechnung gestellt, was eine weitere, versteckte Gebührenerhöhung von 8,33 % bedeutet.

Der Transport eines vollen 35 l Behälter war für viele schon eine Zumutung. Über die Kellertreppen ist ein voller 60 l Behälter unmöglich zu handhaben – zusätzlich wegen der topografischen Lage von Pforzheim – Abholung oben am Berg oder einer Treppenanlage.
Kleine Haushalte werden den Behälter erst nach Wochen gefüllt haben. Er wird dementsprechend lange stehen und Maden können sich entwickeln. Das Ganze stinkt zum Himmel und es gibt hygienische Zustände wie im Mittelalter.
Hausbesitzer werden Probleme haben, ihre EG-Wohnungen (vor deren Fenster die Eimer oftmals stehen), vermieten zu können. Bekommen sie dann einen steuerlichen Ausgleich für diesen – dadurch bedingten – Leerstand?
Diese neue Regelung führt zu einem Abfall-Tourismus: Denn Müll, der nicht in den eigenen Behälter passt, weil einem vielleicht ein größerer Behälter zu teuer ist, wird in anderen Tonnen oder in städtischen Papierkörben landen und somit preisgünstig entsorgt.

Wie sieht es mit den bislang vorhandenen Müllgemeinschaften aus? Muss jetzt jeder Haushalt einen 60 l Behälter besitzen?

 

Bisher war Sperrmüll 1 mal im Jahr kostenlos. Ab 2013 sollen maximal 3 m³ gegen Gebühr abgeholt werden. Der weitere Rest soll ebenfalls abgerechnet werden. Aber bei maximal 3 m³ ist das nach meiner Auffassung ohnehin unlogisch. Diese Sperrmüllregelung ist wieder eine versteckte, erhebliche Gebührenerhöhung.

Wer hütet über Nacht den Sperrmüllberg? Kann Baubürgermeister Uhlig als Aufpasser angefordert und die Abholung bei ihm angemeldet werden? Vielen Bürgern (Ältere, Gebrechliche) ist es gar nicht möglich, den Sperrmüll erst am frühen Morgen herauszustellen. Sie sind auf Hilfe z.B. eines Mitbewohners angewiesen, der am Morgen z.B. zur Arbeit muss, also wird der Sperrmüll  abends herausgestellt. Die Gefahr, dass der Sperrmüll „Junge kriegt“, ist vorprogrammiert.
Restlicher Sperrmüll (Metall, Holz, E-Schrott) wäre kostenlos, muss aber angeliefert werden. Wie soll das für Senioren, Kranke, Behinderte und arme Bürger funktionieren, wenn sie keine Beförderungsmöglichkeit haben? Hier kommen dann wohl ehrenamtliche „Sperrmüll-Anlieferer“ zum Einsatz?!

Eine soziale Komponente wird in diesem System und in dieser Gebührenordnung vermisst, wobei zudem die einmalige Fälligkeit der Gebühr an der Praxis völlig vorbei geht.

Arbeitslose, Aufstocker, Rentner in Altersarmut, Single-Haushalte, Alleinerziehende mit Kindern finden in diesem System keine Hilfe. Wohlhabende werden durch dieses neoliberale Konstrukt bevorzugt. Ihnen tun die Preiserhöhungen zwar weh, können sie sich aber leisten. Auch stehen ihnen größtenteils der Platz für weitere Müll-Behälter (z. B. Papier) zur Verfügung. Von Gerechtigkeit also keine Spur.

Und das alles unter dem Tenor: “Mehr Gebührengerechtigkeit – nur für den Müll bezahlen, den man selbst verursacht“.
Pforzheim als Goldstadt bekannt, wird mit diesem neuen System bald als „Müllstadt“ Schlagzeilen machen.

Heinrich Köhler
Ortschaftsrat in Eutingen