Ein Brief eines Freundes auf meine Fragen zur SVP (Städtische Verkehrsbetriebe Pforzheim)

17. Juni 2011

 

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Hager,
sehr geehrter Herr EBM Heidt,
sehr geehrte Frau Hermesmeier,
sehr geehrter Herr Enderes,
sehr geehrte Damen und Herren des Gemeinderates,
an den Betriebsrat der SVP,
sehr geehrter Herr Hofsäß, VPE,
sehr geehrte Damen und Herren der Presse,
liebe Freunde und Mitstreiter,

anbei erhalten Sie einen Brief meines Freundes auf meine Fragen zur SVP. Die Klärung der Frage einer Rekommunalisierung der städtischen Verkehrsbetriebe ist dringender denn je. Meiner Meinung nach gibt es in Pforzheim Informationsdefizite, die mit diesem Schreiben beseitigt werden können.

 

Deshalb freue ich mich von Ihnen zu hören.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Köhler
letzter Sprecher von BiB – Busse in Bürgerhand
Ortschaftsrat in Eutingen

———-  Weitergeleitete Nachricht  ———-

Betreff: Re: SVP
Datum: Mittwoch, 15. Juni 2011, 01:27:52
Von: „Dr. Volker Röske“
An:  „Köhler“

Hallo Heinrich,

der Verkehrsvertrag endet am 10.12.2016. Ab diesem Zeitpunkt ist die Stadt frei, zu entscheiden wettbewerbliches Verfahren oder Direktvergabe nach 1370.

Die Übergangsfrist spielt hier keine Rolle, da die Stadt und die SVP diese Möglichkeit nicht genutzt haben. Insofern ist es unerheblich, dass die Übergangsfrist am 2.12.2019 endet.

Um die Wahlmöglichkeit am 9.12.2015 überhaupt wahrnehmen zu können, muß bis dahin die SVP zu 100% im Besitz der Stadt sein. Dies wäre durch die Call-Option (Rückerwerb der Anteile an der SVP GmbH & Co. KG zu einem fixiertem Entgelt) lt. Konsortialvertrag zwischen der Stadt Pforzheim und Veolia möglich. (Rekommunalisierung)

Nutzt die Stadt diese Möglichkeit der Call-Option nicht, hat sie am 9.12.2015 keine andere Wahl und muss die Verkehrsleistung gem. 1370 in der Folge ausschreiben.

Das stärkste Recht in der Frage der Ausschreibung oder nicht hat auf jeden Fall die Stadt. Veolia ist da nur Zuschauer und guckt, ob die Stadt Fehler macht. Aus diesem Grund wäre theoret. auch der Fall möglich, die Stadt läßt den Verkehrsvertrag auslaufen, gründet ein eigenes Verkehrsunternehmen (wahrscheinlich wird Veolia dann gegen den Verkehrsvertrag klagen, muß die Stadt aber aushalten oder geschickt damit umgehen) und kündigt am 9.12.2015 im Amtsblatt der EU die Direktvergabe an das eigene Unternehmen an. Allerdings würden sich dann schon die Anwälte freuen, denn das Verkehrsunternehmen der Stadt hat keine Liniengenehmigungen (laufen bis 2017 und die liegen bei der SVP!). Deswegen bleibt als einfachster Weg der Rekommunalisierung der oben beschriebene Weg (s.o.) übrig.  

Jede Äußerung der städt. Verwaltung und Politik, die Call-Option nicht zu ziehen, ist eine Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltungshoheit und bedeutet Ausschreibungswettbewerb.

Eine Möglichkeit, daß die SVP weiterhin den Verkehr erbringt, bestünde dann, wenn die Stadt gem. Art. 4 Abs. 5 der 1370 die sozialen und qualitativen Bedingungen des IST-Zustandes (u.a. Übernahme des gesamten Personals zu den jetzigen Anstellungsbedingungen zur Ausschreibungsbedingung macht; ähnliches hat kürzlich der BVN (Bahnbustochter) in Schwetzingen/Hockenheim rechtssicher durchgesetzt ) zum Inhalt der Ausschreibung macht.
Wahrscheinlich wird sich dann die SVP als einziges Unternehmen bewerben mit der Folge, dass die Stadt den verlangten (höheren) Preis dann auch zahlen muß (zusätzlich zu den unten erwähnten Transaktionskosten).  

Wirtschaftlich läuft die Stadt dann aber weiter an der Hundeleine von Veolia, aber das macht die Stadt ja schon heute! Dies wäre die Fortführung des status quo.

Aus meiner Sicht wäre die oben beschriebene Rekommunalisierung sinnvoll, da dadurch die Steuerungsfähigkeit der Stadt bezüglich des ÖPNV vollständig, direkt und am wirtschaftlichsten gegeben ist. Damit entfielen u.a. die Transaktionskosten der Ausschreibung und letztlich könnten die Kosten der Kontrollbehörde EVP zu 100% eingespart werden.

Aber, ob dies politisch gewollt ist, bezweifle ich, da die Politiker den ÖPNV nicht (mehr) als Daseinsvorsorge anerkennen (vgl. GG-Änderung Art 104a, 2006, Die Wunder großen Koalition !!!), sich also vom ÖPNV als staatliche Infrastrukturaufgabe verabschiedet haben.  

Ihre Hilfskonstruktion ist dann der sog. Wettbewerb, dieses ‚Wunder von Gottes Gnaden‘ soll es dann richten; auf jeden Fall entlastet der Hinweis auf den sog. Wettbewerb die Politiker von ihrer Verantwortung: Aber mit dieser Verantwortungslosigkeit leben die ja gerne und in Pforzheim gibt es sicherlich auch „Lumpen, das Gegenteil von einem anständigen Kerl“(Ernst Bloch im SS 1972, Uni Tübingen, im Seminar „Kommunismus und Moral“) bzw. es wäre nicht verwunderlich, wenn der eine oder die andere euch im Zusammenhang mit der SVP-Privatisierung wieder in den Sinn kommen.

Übrigens, die Insolvenz der SVP wäre lt. § 41, Abs. 2 Verkehrsvertrag ein außerordentlicher Kündigungsgrund für den Verkehrsvertrag. Das wird Veolia sicherlich zu verhindern wissen. Das Gerede von der Insolvenz zeigt nur, dass wenig Wissen dahinter steckt und Angstmache betrieben werden soll. Also, es gibt keine Insolvenz der SVP!

Herzlichen Gruß

Volker

P.S. Email kann an Freunde bzw. Bekannte weitergeleitet werden.

Dr. Volker Röske
Sozialforschung & Organisationsberatung
Blidenfeldstraße 16
D- 76889 Gleiszellen
Tel: ++49 – (0) 6343-939403
Mobil: ++49 – (0)170-962 76 38
auch unter: www.arbeitundzukunft.de

—–Original-Nachricht—–
Subject: SVP
Date: Tue, 14 Jun 2011 22:12:38 +0200
From: Köhler
To: Volker Roeske

Hallo Volker,

von einem sachkundigen Freund habe ich folgende  Aussage:

die Verordnung 1370/2007 sieht drei Möglichkeiten für die Vergabe von Verkehrsleistungen in Artikel 5 vor:

(2) Direktvergabe an ein eigenes Unternehmen

(3) wettbewerbliches Verfahren

(4) Direktvergabe unterhalb einer Schwelle bzw. an kleine und mittlere Unternehmen

Für die Anwendung dieser Vergaberegeln sieht die Verordnung Übergangsfristen bis 2019 vor. Bundesrechtlich gibt es noch keine weiter einschränkenden Regelungen.

Die jetzige Konstruktion der SVP ermöglicht nur wettbewerbliche Verfahren mit dem Risiko, anderen Wettbewerbern zu unterliegen.

Selbst wenn Auslaufen des Verkehrsvertrages noch altes Recht angewendet werden könnte, bestünde bei der nächsten Vergabe das Problem wieder.

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von meinem sachkundigen Freund weiter

Die Entscheidung für die Stadt lautet also verkaufen oder nicht. Verkaufen heißt dann auch, zukünftig auszuschreiben.
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Mein Problem ist nun: Wie kann die Stadt Pforzheim den städtischen Verkehr selbst fahren ohne ausschreiben zu müssen? Und sich andererseits ungerupft aus  der Affaire ziehen zu können? Was hälst Du für sinnvoll und möglich? Was müßte  Pforzheim an den Strukturen ändern?

Ich freue mich, von Dir zu hören. Danke.

Liebe Grüße
Heinrich