PFORZHEIM/STUTTGART. Erstmals hat die Deutsche Bank im Rechtsstreit um Zinsderivate-Geschäfte vor einem Oberlandesgericht verloren. Das nährt die Hoffnung der Stadt Pforzheim auf Schadenersatz.

In einem möglichen Rechtsstreit mit der Deutschen Bank wähnt sich die Stadt nun in einer besseren Position.

Rechtsanwalt Jochen Weck von der Münchener Kanzlei Rössner spricht von einem „Meilenstein“ und „Wasser auf die Mühlen“ seiner Argumentation. Für Michael Strohmayer und Rechtsamtsleiterin Andrea Hermesmeier – für Oberbürgermeister Gert Hager selbstredend auch – ist es ein verheißungsvoller Tag. „Das Urteil birgt ein gutes Stück Hoffnung“, sagt Strohmayer nach Durchsicht der insgesamt 42 Seiten – es ist die Urteilsbegründung des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart (Aktenzeichen 9 U 164/08) im Rechtsstreit zwischen einem mittelständischen Unternehmen in der Anlagen- und Maschinenbranche einerseits und der Deutschen Bank andererseits.

 

Die Firma hatte zunächst mit ihrer Klage auf Schadenersatz wegen Falschberatung mit Zinsderivaten vor dem Landgericht Stuttgart Schiffbruch erlitten und Berufung eingelegt. Die zweite Instanz gab der Klägerin in vollem Umfang Recht – die Bank müsste mehr als 1,5 Millionen Euro Schadenersatz zahlen, wenn das Urteil rechtskräftig würde.

Doch Christian Duve, Prozessbevollmächtigter der Deutschen Bank, lässt keinen Zweifel, wie sein Institut weiter vorgehen will: „Die Bank wird gegen das Urteil Rechtsmittel beim Bundesgerichtshof einlegen“, so Duve gegenüber der PZ. Man halte das Urteil für falsch und beruft sich auf die bisherigen sechs Urteile von Oberlandesgerichten in der ganzen Republik, die zugunsten des Kreditinstituts ausgefallen seien. „Aber die hatten auch nicht den Wissensstand der Kollegen aus Stuttgart“, sagt Anwalt Weck, der im Auftrag der Stadt Pforzheim die Erfolgsaussichten einer Klage gegen die Deutsche Bank auslotet. Wie mehrfach berichtet, hatte Ex-Kämmerin Susanne Weishaar mit der Deutschen Bank zum Zweck der Zinsoptimierung der verschuldeten Kommune so genannte „Spread Ladder Swaps“ abgeschlossen – im Grunde genommen Wetten auf die Entwicklung von Zinsen. Das drohte zwischenzeitlich, in die Hosen zu gehen, und Weishaar versuchte mit Wissen ihrer damaligen Chefin Christel Augenstein als Oberbürgermeisterin, das Ruder durch „Spiegelgeschäfte“ mit der Bank JP Morgan um 180 Grad herumzureißen.

Reißleine gezogen
Das ging schief, und es drohte zum Entsetzen der Verwaltung und des Gemeinderats ein möglicher Schaden von 77,5 Millionen Euro. Die Stadt hat mittlerweile beschlossen, die Reißleine zu ziehen. Das Ende mit Schrecken wird auf 55 Millionen Miese beziffert. Als ausschlaggebend für das Stuttgarter Urteil sieht Anwalt Weck, der die Klägerin vertrat, die mehrstündige Aussage ausgerechnet eines Experten der Deutschen Bank in der mündlichen Verhandlung an, der über die Strukturierung der Finanzprodukte referieren sollte. Das habe den Richtern die Augen geöffnet, so Weck – allerdings nicht so, wie das Institut das gerne gehabt hätte. Weck: „So was von Totengräberstimmung im Gerichtssaal habe ich noch nicht erlebt.“ Für den 9. Zivilsenat stand am Ende fest: Man habe seitens der Bank mit „inhaltlich fehlerhaften Informationsunterlagen gearbeitet“ und die Verträge so konstruiert, dass der Kunde wahrscheinlich einen Verlust erleiden werde. Das OLG sei „unserer Argumentation in allen Richtungen gefolgt“, sagt Weck.

Mit der Feststellung des Stuttgarter Gerichts, das Verschulden der Bank sei offensichtlich, sieht Weck auch die frühere Kämmerin und die Ex-Oberbürgermeisterin zumindest im Hinblick auf die Deutsche-Bank-Geschäfte entlastet. Gegen Weishaar und Augenstein ermittelt seit Monaten die Schwerpunkstaatsanwalt für Wirtschaftsstrafsachen in Mannheim wegen des Verdachts der Untreue.

Die Ermittlungen dauerten weiter an, sagte Peter Lintz, der neue Presse-Staatsanwalt, der PZ auf Anfrage. Dem Urteil des OLG Stuttgart messen die Mannheimer Strafverfolgungsbehörden zunächst keine allzu hohe Bedeutung für ihre Ermittlungen bei: Es handle sich bei dem Urteil schließlich um ein Zivilverfahren. Außerdem gehe es um ein mittelständisches Unternehmen, das die Bank verklagt hatte. „Das ist nicht übertragbar auf eine Stadt“, so Lintz.

 

Mit freundlicher Genehmigung der Pforzheimer Zeitung