in der PZ erschienen am Mittwoch, 18.11.2009 von Marek Klimanski

 

PFORZHEIM. Stadtkämmerin Susanne Weishaar zieht die Konsequenzen: Sie verlässt das Rathaus. Das gab die Stadt am Dienstag bekannt. Genau wie den Umstand, dass das Derivate-Fiasko noch teurer sein könnte als befürchtet: Aus bislang im Raum stehenden 50 bis 60 Millionen Euro könnte ein Minus von 77,5 Millionen Euro werden.

Weishaar

Wirft das Handtuch: Kämmerin Susanne Weishaar verlässt die Pforzheimer Stadtverwaltung. Foto: PZ-Archiv

Auf eigenen Wunsch, so heißt es in der Pressemitteilung am Dienstag Abend aus dem Rathaus, werde Stadtkämmerin Susanne Weishaar die Stadtverwaltung verlassen. Sie sehe „die Vertrauensbasis zwischen sich und Teilen des Gemeinderats und Teilen der Verwaltung nicht mehr in ausreichendem Maße gegeben“. Dieses Vertrauen sei aber für die tägliche Arbeit ein wesentlicher Faktor.

„Ausschlaggebend war die Diskussion über die CMS Spread Ladder Swaps der Deutschen Bank, mit deren Hilfe die Zinslast der Stadt optimiert werden sollte“, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Der PZ gegenüber sagte Susanne Weishaar, dass die Entscheidung in den vergangenen Tagen gefallen sei. „Es hat sich gezeigt, dass es zunehmend schwieriger wurde“, so Weishaar. Auf die Frage, ob sie bereits eine neue Stelle habe, sagte die scheidende Kämmerin, sie sei in guten Gesprächen.

Nachrichten im Sekundentakt

In einer nur Sekunden auf diese Pressemitteilung folgenden zweiten Veröffentlichung gab die Stadt bekannt, dass ihr aus diesen Derivate-Geschäften bei der Deutschen Bank und im Anschluss zur Minderung von Verlusten bei J.P.Morgan mittlerweile im schlimmsten Fall ein Minus von 77,5 Millionen Euro droht.

Bislang war das Rathaus von bis zu 60 Millionen Euro ausgegangen. Das erhöhte Risiko rührt aus einer anderen, offenbar realistischeren Berechnungsgrundlage her. Es geht aber nur um eine Prognose von Zins-Entwicklungen. Zudem könnte die Stadt in juristischen Auseinandersetzungen und Verhandlungen mit den Banken eine Lösung finden. „Ob und in welcher Höhe Zahlungen tatsächlich fällig werden, ist völlig offen.“ Pforzheim sei nur eine von mehreren hundert Kommunen und mittelständischen Unternehmen, die mit solchen Geschäften versucht hätten, ihre Zinsbelastung zu drücken.

Oberbürgermeister Gert Hager zeigte sich schockiert über die erneut gewachsene finanzielle Bedrohung. Dies zeige, wie wichtig die Aufarbeitung unter anderem durch die Gemeindeprüfanstalt sei.

Zur Frage einer möglichen Verantwortung von Susanne Weishaar für die Derivate-Geschäfte, äußerte sich Hager in beiden Mitteilungen nicht. Er dankte der Stadtkämmerin „für ihre über viele Jahre geleistete gute Arbeit“. Sie habe in einer schwierigen Zeit bei Umstrukturierungen und Privatisierungen Verdienste erworben und geholfen, Betriebskosten-Defizite des Klinikums und der Stadtbusse abzubauen. Vor wenigen Wochen hatte Hans-Ulrich Rülke, Vorsitzender der FDP-Gemeideratsfraktion, wegen der Derivate-Geschäfte Weishaars Suspendierung gefordert.

 

Dazu der Kommentar von Marek Klimanski:


Stadtkämmerin Weishaar kündigt wegen Derivate-Debatte

 

Nun hat Susanne Weishaar von sich aus getan, was FDP-Mann Hans-Ulrich Rülke der Stadtverwaltung nahegelegt hatte – und ihr Arbeitsverhältnis beendet. Der offiziellen Verlautbarung zufolge geht Weishaar, weil sie das Vertrauensverhältnis zu Teilen des Gemeinderats und der Stadtverwaltung nicht mehr ausreichend gegeben findet.

Das ist eine richtige Wahrnehmung: Mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre die Kämmerin spätestens nach Abschluss aller Aufräumarbeiten nicht mehr zu halten gewesen. Dass weder sie selbst noch OB Gert Hager etwas zur Frage ihrer Verantwortung für die Derivate verlauten lassen, ist ein Schweigen, das für sich spricht. Sie gesteht so keine Schuld ein, er gibt keine Unschuldsgarantie ab. Logisch. Es handelt sich um ein schwebendes Verfahren. Der angerichtete Schaden könnte immens sein. Eine auch strafrechtliche Prüfung läuft. Man muss die Vorsicht der beiden verstehen. Eines ist klar: Susanne Weishaar, der die Belastungen anzusehen waren, hat zwar die Konsequenzen gezogen. Aber keinen Schlussstrich. Die Sache ist für sie noch nicht ausgestanden.

Mit freundlicher Genehmigung der Pforzheimer Zeitung