Oder: Keine Tränen für die Kämmerin


Dieser Leserbrief erschien am 28.11.2009 (etwas gekürzt) im Pforzheimer Kurier

und am 05.12.2009 in der Pforzheimer Zeitung

 

Nun ist es also soweit. Die Kämmerin verlässt Ende März 2010 das Rathaus und
die Stadt. Man könnte wirklich auf die Idee kommen, es gäbe Leute, die
darüber Tränen vergießen. Welchen Hintergrund hat es wohl, dass sie von OB
Hager mit Lob geradezu überschüttet wird? -„Sie habe in einer schwierigen
Zeit bei Umstrukturierungen und Privatisierungen Verdienste erworben und
geholfen, Betriebskosten-Defizite des Klinikums und der Stadtbusse
abzubauen“.

Reden wir doch Klartext: Die Stadt verkaufte unter maßgeblicher Beteiligung
der Kämmerin alles, was nicht niet- und nagelfest war. Das Tafelsilber ist
längst verscherbelt und wir stehen mit leeren Taschen da, mit einem enormen
Schuldenberg und – noch schlimmer- jetzt auch noch mit Wettschulden, dass
einem Angst und Bange wird.

Und welche „angeblichen Erfolge“ resultieren aus den Verkäufen/
Privatisierungen?
Die Patientenzufriedenheit im Klinikum lässt sehr zu wünschen übrig. (PZ: „Es
war kein guter Tag für Klinikum-Chef Bernd Zimmermann, als die Techniker
Krankenkasse ihre Studie zur Patientenzufriedenheit vorlegte.“)
Die Gewerkschaft ver.di berichtet: „Rekord im Klinikum Pforzheim – zwischen
18. und 25. September 2009 sind 100 Kolleginnen und Kollegen in ver.di
eingetreten“.
(nachzulesen unter: http://drei.verdi.de/2009/ausgabe-31/aktiv/seite-7/5).
Dies spricht Bände und bedarf keiner weiteren Diskussion.

Die Mängel und Verspätungen bei den Stadtbussen der Verkehrsbetriebe Pforzheim
sind den Bürgern bekannt, auch wenn man versucht, sie unter den Tisch zu
kehren. Ob diese Privatisierung tatsächlich Betriebskosten-Defizite
langfristig ausgleichen wird, ist noch abzuwarten.

Auch das vielgepriesene PPP-Modell „Alfons-Kern-Schule“, welches die Kämmerin
betrieben hat und mit geheimen Veträgen besiegelt wurde, läuft noch nicht
lange genug, um Kostenersparnisse für die Stadt zu belegen. Ersparnisse
bezweifle ich jedenfalls. Zahlt die Stadt doch monatlich 360.000.-€ Miete für
Baukosten und Betrieb und zwar 30 Jahre lang. Interessant wäre doch hier eine
öffentlich dargestellte Gegenrechnung, hätte man in Eigenregie gebaut und
hiesige Handwerker eingebunden, die dann auch wieder Steuern in die
Stadtkasse „gespült“ hätten. Das PPP-Modell „Alfons-Kern-Schule“- vielleicht
in ein paar Jahren auch ein Schuldengrab? Man könnte diese Geheimverträge
schon jetzt von der Gemeindeprüfungsanstalt prüfen lassen (z.B. bei einem
Antrag von 10 Gemeinderäten).

Nicht zu vergessen die Schnapsidee mit „cross boarder leasing“ für die
städtische Kläranlage, welches die Kämmerin gleich bei Ihrem Amtsantritt auf
den Weg bringen wollte. Welch ein Glück, dass dieser Kelch um Haaresbreite am  
17.12.2002 an uns vorüber ging.

Alles in allem – ist der Weggang der Kämmerin ein herber Verlust für die
Stadt? Wir sollten nicht vergessen, dass auch andere an diesem
Verlustgeschäft nicht unschuldig sind. So hat die frühere OB Augenstein, das
Rechtsamt und die Mehrheit des Gemeinderats diese Zinsderivate betrieben,
zumindest abgenickt oder auch mit viel „Nichtwissen“ weggesehen.

Außerdem stellt sich die Frage, ob bei richtigem Management und einer guten
Zusammenarbeit mit den zuständigen Dezernenten, sowohl im Klinikum als auch
bei den Verkehrsbetrieben, eine Teilprivatisierung überhaupt erforderlich
gewesen wäre. Nicht umsonst sprach die Kämmerin beim Verkauf des Klinikums
von einer „schnellen Hochzeit“, die so schnell über die Bühne ging, bevor
sich die Bürger wehren konnten. Die Teilprivatisierung überdeckt somit nur
das Versagen aller Beteiligten.

Wir können jetzt nur hoffen, dass richtiges Management und im Sinne der Bürger
verantwortliche Bürgermeister den Karren wieder aus der Talsohle ziehen.