Aufgrund der Klage des Landes Sachsen-Anhalt gegen das Gentechnikgesetz, mit der das öffentliche Standortregister und die Haftungsregelung angegriffen werden, trafen sich am heutigen Mittwoch, 23.06.2010 Landwirte, Imker, Saatguterzeuger und sonstige Gegner der Agro-Gentechnik vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu einem gentechnikfreien Frühstück. Sie kämpfen für ihr Recht auf eine gentechnikfreie Landwirtschaft.

Die Veranstaltung war ein voller Erfolg. Alle erwarten nun mit Spannung das Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
Siehe weitere Informationen unter dem Artikel: „Demo: Gentechnikfreies Frühstück vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe“.

 

Pforzheimer Kurier 24.06.2010

Grüne Gentechnik hofft auf Karlsruhe
„Versuche werden zerstört und Forscher verunglimpft“
„Die Position des Betroffenen nicht im Blick“

Von unserem Redaktionsmitglied Theo Westermann
Karlsruhe. In Teilen geriet die Verhandlung vor dem Verfassungsgericht zum biologischen Oberseminar. Da wurde von Mücken gesprochen, die als Teil der Nahrungskette Pollen von Gen-Mais verbreiteten, oder von der Zuckerrübe, die ihre Pollen 1 000 Meter weit streut. Im Kern ging es darum, wie riskant Gentechnik in der Landwirtschaft ist und wie streng die Bestimmungen sein müssen. Die Schlachtordnung vor Gericht war dabei höchst ungewöhnlich. Kläger gegen das Gentechnikgesetz ist die schwarz-rote Landesregierung von Sachsen-Anhalt, die eine Klage aus dem Jahr 2005 ihrer schwarz-gelben Vorgängerregierung aufrechterhält. „Beklagte“ ist damit die aktuelle schwarz-gelbe Bundesregierung, die eine Gesetzesreform aus dem Jahr 2004 verteidigt. Damals hatte die rot-grüne Bundesregierung entsprechende EU-Richtlinien umgesetzt, diese aber deutlich im Sinne der Gegner der Gentechnik verschärft. 2008 wiederum hatte die Große Koalition das Gesetz reformiert, dies aber in weiten Teilen nach heftigen Protesten von Umweltschützern, Bauern, aber auch der CSU nicht im Sinne der Industrie liberalisiert, sondern die Kernpunkte des rot-grünen Gesetzes erhalten. Sachsen-Anhalt sieht durch das Gesetz den Forschungsschwerpunkt im strukturschwachen Bundesland gefährdet. „Die grüne Biotechnologie ist für uns bedeutend“, so Staatssekretär Thomas Pleye. Diese Aktivitäten sieht er nun gefährdet, etwa durch sehr weitgehende Haftungsregeln im Gentechnikgesetz. Sie bedeuten für einen Gen-Landwirt unkalkulierbare finanzielle Risiken, falls eine „Auskreuzung“ im benachbarten bisher gentechnikfreien Feld eines anderen Bauern auftaucht. Der Nachweis eines Verschuldens ist dabei nicht mehr notwendig. Die Landesregierung sieht hier den von der EU gewollten Grundsatz der „Koexistenz“ von konventioneller, ökologischer und gentechniknutzender Landwirtschaft gefährdet. „Die Balance der Prinzipien wird nicht eingehalten“, so der Prozessbevollmächtigte des Landes.

Mit der Gefahr für den Standort Deutschland argumentierte auch die Vertreterin der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Patricia Schmitz-Möller. Im Fokus auch bei ihr: Die Regelung, die eine Angabe von Anbauorten bis hin zur Flurstücknummer verlangt – quasi eine Einladung für militante Gegner. So detailgetreu hatte es offenbar die EU-Richtlinie gar nicht verlangt. Sie verwies darauf, dass Freilandversuche für die Forschung unerlässlich seien. „Diese Versuche werden zerstört und beteiligte Forscher werden verunglimpft.“ Übrigens auch in der Region – so wurden in Rheinstetten in den vergangenen Jahren Versuchsfelder von militanten Gentechnikgegnern besetzt, beziehungsweise zerstört. Schmitz-Möller berichtete, dass verschiedene Hochschulen ihren Instituten inzwischen von einschlägiger Forschung abrieten. Ähnliches wurde von Fraunhofer-Instituten berichtet. Der Vertreter der Pflanzenzüchter sah den Standort Deutschland in Gefahr, genauso auch der Verbandsvertreter der Industrievereinigung Biotechnologie. Vertreter des Naturschutzes und der Bundesregierung hielten dagegen und verwiesen auf die Risiken.
Die Verfassungsrichter hakten immer wieder nach, wie sich denn die Vertreter der grünen Gentechnik eine Haftung in ihrem Sinne vorstellen könnten. Berichterstatter Brun-Otto Bryde formulierte es gegenüber dem Klagevertreter von Sachsen-Anhalt noch schärfer: „Sie haben bei ihrer Einwendung die Position des Betroffenen nicht im Blick.“ Wo bleibe das Schutzgut jenes Landwirts, dessen Anbauflächen gentechnikfrei bleiben sollen?

Kompromisslos genfrei
Gentechnik-Gegner luden zum Öko-Frühstück

Karlsruhe. Während das Bundesverfassungsgericht gestern erst mit der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Gentechnikgesetzes begonnen hat, stand für die Gentechnikgegner, die im Vorfeld der Verhandlung zu einem „gentechnikfreien Frühstück“ einluden, die Antwort bereits fest: Das Recht auf gentechnikfreie Landwirtschaft wiegt schwerer als die Belange der Gentechnik-Industrie. Symbolisch stellten sie diese Position in Form einer übergroßen Waage der Justitia dar, die zugunsten der ökologischen Seite ausschlug.
Als „Kampfansage“ und „inakzeptabel“ verurteilte Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), dann auch den Normenkontrollantrag Sachsen-Anhalts und prangerte die „geplante Verheimlichung von Gen-Standorten“ an. In diesem Zusammenhang forderte auch Matthias Strobel, Vertreter des Aktionsbündnisses Gentechnikfreies Baden-Württemberg, ein Null-Toleranz-Vorgehen: „Unser Saatgut muss rein bleiben.“
Die Natur tausche sich nun einmal lustvoll aus, „egal ob es Genpflanzen sind oder nicht“, kritisierte auch der AbL-Bundesvorsitzende Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf das im derzeitigen Gesetz verankerte Prinzip der Koexistenz von konventioneller und Gentechnik verwendender Landwirtschaft. Gerade der „badische Korngürtel“ sei von der Thematik besonders betroffen, da unter anderem in Rheinstetten Freisetzungsversuche durchgeführt wurden, bei der die Verbreitung der Pollen von Genpflanzen untersucht wurde. „Gegen den Willen der Bevölkerung“, betonte Hartmut Weinrebe vom Bündnis Gentechnikfreie Region Mittlerer Oberrhein.
Der Bundestagsabgeordnete Matthias Miersch (SPD), der später auch im Gericht argumentierte, unterstrich die Bedeutung der Wahlfreiheit, die das derzeitige Gesetz vorsehe: „Wer gentechnikfrei arbeiten will, der muss dies auch tun können.“
Eine positive Bilanz der etwa zweistündigen Protestaktion zog Organisatorin Claudia Schüle: „Wir haben klar gesagt, welche Gefahren es gibt und sind bei den Passanten auf gute Resonanz gestoßen.“ Jetzt warte sie nur noch auf eine schnelle Entscheidung des Gerichts – „zu Ungunsten Sachsen-Anhalts. Da bin ich sehr zuversichtlich.“ Swantje Huse

 

Mit freundlicher Genehmigung des Pforzheimer Kurier

Fotos: Heinrich Köhler

Karlsruhe_Gentechnik

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